1) Allgemeines zur Aussaat:
- Die meisten Kakteen und Sukkulenten keimen am Besten bei ca. 25-28°C am Tag. Eine Absenkung der Temperatur auf ca. 18°C bei Nacht hat sich als günstig erwiesen zur frühzeitigen Abhärtung der Keimlinge. Hochlandbewohner wie z.B. Sulcorebutien keimen am Besten bei ca. 20°C tagsüber.
- Die Samen von frostharten Kakteen wie Escobarien, Echinocereen und Opuntien keimen besser, wenn man sie stratifiziert. Dazu stellt man die verschlossenen Aussaatgefäße mit den Samen 3-4 Tage ins Warme, damit die Samen Wasser aufnehmen können. Danach stellt man sie für ca. 4-5 Wochen in einen Kühlschrank oder im Winter an einen geschützten Platz ins Freie. Anschließend erfolgt die Keimung im Warmen.
- Kakteen sind Lichtkeimer, die Samen dürfen also nicht überdeckt werden. Nur Opuntien sind Dunkelkeimer, die Samen kommen ca. eine Samendicke tief ins Substrat.
- Sät man im Winter, so muss man neben der geeigneten Temperatur auch für zusätzliche Beleuchtung sorgen. Bewährt haben sich dazu Leuchtstoffröhren mit der Bezeichnung 840 (neutralweiß, beste Lichtausbeute) oder 865 (tageslichtweiß, höherer Blauanteil, aber etwas geringere Lichtausbeute). Lassen sie die Finger von Aquareinleuchten und sonstigen Spezialleuchten, die bringen auch nicht mehr als die oben genannten Leuchtstoffröhren. Bewährt hat sich auch die Verwendung von Reflektoren, weil dadurch ein größerer Lichtanteil bei den Sämlingen ankommt. Eine Anleitung zum Bau eines Anzuchtkastens finden sie hier.
- Über die Beleuchtungsdauer gibt es verschiedenen Ansichten. Im Allgemeinen geht man von (12 bis) 14 Stunden Beleuchtung pro Tag aus.
- Man sollte nicht zu dicht säen, weil sich die Sämlinge dann schon bald bedrängen, so dass man dann pikieren muss.

2) Aussaatsubstrat:
- Idealerweise sollte der pH-Wert der Aussaaterde bei 6-7 liegen. Bedenken sie jedoch, dass sich der pH-Wert durch Gießen mit hartem Leitungswasser mit der Zeit erhöht und dadurch ungünstig für Sämlinge wird. Also möglichst mit weichem Leitungswasser oder mit abgekochtem Regenwasser gießen.

- Bei rein mineralischer Aussaaterde haben Trauermücken keine Chance. Mit Ausnahme von Bims und verschiedenen organischen Materialien ist jedoch die Mineralienverfügbarkeit gering bis nicht vorhanden. Man muss also spätestens 14 Tage nach dem Auflaufen vorsichtig mit Düngerlösung "zufüttern", am Besten in etwa der fünf- bis zehnfachen Verdünnung wie angegeben.

- Bei Aussaaterde mit organischem Anteil besteht die Gefahr, dass sich Trauermücken oder Springschwänze einnisten und die Sämlinge fressen. Man kann dem vorbeugen, indem man entweder das Saatgefäß dicht verschließt (= Fleischer-Methode) oder indem man Gartenvlies über die Lüftungsöffnungen der Anzuchtbehälter klebt.

- Bei Aussaaterde mit organischem Anteil und bei Verwendung von Perlite besteht eine erhöhte Gefahr, dass sich trotz Sterilisation Algen bilden. Diese können die Oberfläche der Aussaaterde mit einer schleimigen Schicht überziehen und im Extremfall die Sämlinge ersticken, faulen lassen oder beim Abtrocknen abheben. Sobald sich Algen zeigen sollte man sie durch vorsichtiges Lüften die Oberfläche austrocknen. Zusätzlich sollte man die veralgte Oberfläche mit z.B. einem Zahnstocher auflockern, damit sie schneller abtrocknet.

Wenn man 100 Leute nach ihrem Aussaatsubstrat fragt, bekommt man sicher 50 verschiedene Antworten. Aber warum kompliziert, wenn es auch einfach geht. Die meisten Kakteen keimen und wachsen gut in einem Substrat mit organischem Anteil. Ich benutze folgende Mischung:

- Ca. 40% gewaschener Bims 0-1 mm. Durch das Auswaschen des Klebeanteils wird die Oberfläche beim Abtrocknen nicht hart.
- Ca. 40% Bims 1-2 mm. Dieser lockert das Substrat auf, so dass die Wurzeln schnell ins Substrat eindringen können.
- Ca. 20% Graberde oder Lignit. (Näheres dazu siehe unter Substrate.)
- Etwas Kieselgur als Vorbeugung gegen Trauermückenlarven.


Mein Aussaatsubstrat

 

Bei besonders feinen Samen (z.B. Blossfeldia oder Strombocactus) kann man die Körnung 1-2 mm weglassen.
Astrophythum und Aztekium mögen einen pH-Wert von knapp über 7. Hier lässt man die Organik weg und fügt stattdessen ca. 5% Kalksand zu.
Beim Aussaatsubstrat für Epiphyllum, Rhipsalis usw. kann man den Organikanteil auf 50% erhöhen.

3) Aussaatvorbereitungen:
- Achten sie darauf, dass die Samen sauber und frei von Fruchtfleischresten sind.
- Sterilisieren sie das Aussaatsubstrat z.B. in der Mikrowelle (ca. 7 Minuten pro Liter erdfeuchtes Substrat) oder in einem Bratenschlauch im Backofen.
- Sterilisieren sie die Aussaatgefäße, indem sie sie ganz in Spiritus tauchen und dann abtrocknen lassen.
- Bereiten sie das Anstauwasser vor: Sehr kalkhaltiges Leitungswasser sollte man, ebenso wie Regenwasser, vorher abkochen. Es empfiehlt sich, dem Anstauwasser ein pilzhemmendes Mittel beizumischen. Hier hat sich Chinosol bewährt (gibt's in der Apotheke, 1/2-1 Tablette von 1 g. auf 1 Liter Wasser, kein Neochinosol).

4) Vorbehandlung von schwer keimenden Samen:
Vergleichende Versuche zur Vorbehandlung der Samen von Ariocarpus, Echinocactus, Leuchtenbergia und Thelocactus finden sie hier:
http://seedscactus.com/en/content/62-comparison-between-treatments-of-cactus-seeds-awakening

 

5) Saatgut beizen:
Wenn die Samen gut gereinigt sind und frei von Fruchtfleischresten, wenn das Substrat sterilisiert ist und wenn man sauber arbeitet, dann genügt i.a. Chinosol im Anstauwasser, um Pilzinfektionen zu verhindern. Schimmelpilze treten dann eigentlich nur auf, wenn die Samen schon zu alt sind und infolgedessen schimmeln. Diese verschimmelten Samen kann man mit einem Zahnstocher oder mit einer Pinzette vorsichtig entfernen.
Wer ganz sicher gehen will kann seine Samen beizen. Die dafür speziell zugelassenen Beizmittel wie z.B. Aatiram sind nur für den Erwerbsgartenbau sowie für die Landwirtschaft zugelassen, nicht jedoch für den Haus- und Gartenbereich. Die im Folgenden aufgeführten Beizmittel sind also eher als Notlösungen zu sehen, können aber trotzdem wirksam sein:
- Wasserstoffperoxid: Die Samen in einer 3%igen Lösung ca. 1 Stunde lang baden, dann mit klarem Wasser nachspülen und die Samen aussäen. Mit Gummihandschuhen arbeiten und Spritzer insbesondere auf der Haut sofort mit Wasser abwaschen.
- Kaliumpermanganat: Eine ganz schwache Lösung herstellen, sie darf nur hellviolett sein, und die Samen darin ca. 1 Stunde einweichen. Weiter und Vorsichtsmaßnahmen wie bei Wasserstoffperoxid.
- Lapacho-Tee: Gemäß Anleitung auf der Packung einen Tee herstellen, und mit diesem die gesamte Substratoberfläche besprühen.
- Schachtelhalmtee: Wie Lapachotee zubereiten und anwenden.
- Seedpro: Ist ein biologisches Trockenbeizmittel, soll aber laut Aussagen verschiedener Kakteenzüchter nicht so der Renner sein.

6) Gleichmäßig aussäen:

Zunächst faltet man in die Lasche der Samentüte eine Rinne. Man hält die Tüte waagerecht zwischen Daumen einerseits und Zeige- undMittelfinger andererseits und drückt sie leicht zusammen. Nu klopft man mit dem Zeigefinger der anderen Hand immer wieder leicht gegen das Daumengrundgelenk. Gleichzeitig führt man die Hand in Schlangenlinien über die Topfoberfläche. So werden die Samen gleichmäßig verteilt.
 

7) Aussaat nach der Fleischer-Methode:
- Füllen sie etwa 5 cm hoch erdfeuchtes Substrat in ein Einmachglas mit Glasdeckel. Glätten sie die Substratoberfläche und stoßen sie das Glas ggf. 2-3 mal auf, so dass sich das Substrat etwas setzt.
- Sterilisieren sie das Substrat mitsamt dem Glas im Backofen bei aufgelegtem Deckel (ohne Gummiring) im Backofen.
- Streuen sie die Samen auf das Substrat und besprühen sie die Oberfläche leicht mit einer Chinosollösung.
- Verschließen sie das Glas luftdicht.
Die Keimlinge bleiben bis zum Pikieren im verschlossenen Glas.

8) Die abgewandelte Fleischer-Methode:
- Füllen sie einen Topf ca. 5 cm hoch mit trockenem, sterilisiertem Substrat und glätten sie die Oberfläche. Die Bodenlöcher werden ggf. vor dem Befüllen mit Gartenvlies überdeckt.
- Streuen sie die Samen auf das Substrat.
- Stellen sie den Topf in ein Gefäß mit chinosolhaltigem Anstauwasser, bis dieses bis zur Substratoberfläche hochgezogen ist.
- Stellen sie den Topf in eine Plastiktüte, blasen sie diese etwas auf und verschließen sie die Tüte luftdicht.
Alternativ kann man auch saubere Margarinebecher o.ä. nehmen, in deren Boden man einige 1-mm-Löcher gebohrt hat. Diese Becher kann man mit passendem Deckel oder Haushaltsfolie verschließen.

9) Aussaat in Zimmergewächshäuschen:
- Entfernen sie die Lüftungsschieber im Deckel und kleben sie von innen Gartenvlies auf die Öffnungen. So verhindern sie, dass Trauermücken eindringen können.
- Gehen sie wie in 7) vor und stellen sie die Töpfe in ein Zimmergewächshäuschen.

Links: Von der Keimung bis zur Bildung der ersten Dornen bleibt die Haube drauf. Danach sollte die Erde nur noch schwach feucht sein, um Algen- und Schimmelbildung zu vermeiden.
Rechts: Wenn die Sämlinge größer sind, nimmt man die Haube ab, und wässert erst dann wieder, wenn die Oberfläche abgetrocknet ist. Durch Unterlegen von Styropor bringt man die Sämlinge näher zur Lichtquelle, und verhindert so, dass die Kleinen vergeilen (= lang werden).

 

10) Nach der Keimung:
- Wenn sich die Keimlingswurzeln nicht gleich in den Boden bohren, kann man mit einem Zahnstocher neben dem Keimling ein kleines Loch ins Substrat stechen und die Wurzel dort hinein schubsen. Dabei den Sämling möglichst nicht an den Wurzeln mit dem Zahnstocher berühren, weil die Wurzeln leicht am Holz kleben bleiben.
- Sollten Schimmelpilze auftreten, so kann man die Sämlinge mit Chinosollösung, Lapachotee oder Spezial Pilzfrei Aliette besprühen.
- Sobald die Sämlinge die ersten Dornen schieben, kann man den Deckel des Zimmergewächshäuschens etwas anheben, damit die Oberfläche gelegentlich leicht abtrocknen kann. So verhindert man Algenbildung. Beginnen sie dann auch mit leichten Düngergaben.
- Im Idealfall sät man die Samen so dünn aus, dass sich die Sämlinge erst ab etwa 1 cm Durchmesser bedrängen. Dann erst sollte man pikieren. Vor dem Pikieren sollte man das Substrat ausreichend trocknen lassen, denn aus weitgehend trockenem Substrat lassen sich die Sämlinge leichter und mit geringeren Wurzelschäden entnehmen und verpflanzen.


Die Samen von Selenicereus megalanthus (= gelbe Pitahaya) keimen.


Die Keimblätter haben sich entfaltet, dazwischen sprießen die ersten Triebe.